Interview

„Kopfkino“ und Fingerstyle
Für ihn gehört eine Komposition und die Geschichte dahinter zusammen. Der Gitarrist Kurt Hummel ist „spät dran“ – umso mehr hat er zu erzählen. Er ist ein Komponist und Gitarrist, der mit seinen Stücken berühren und an andere Orte entführen will.

Rep.: Man hat in der Gitarrenszene bisher wenig von dir gehört, in der letzten Zeit hast du aber diverse Gitarrenstücke veröffentlicht. Erzähl mir etwas über deinen Werdegang, deine musikalische Geschichte.
KH: Wie damals viele Jugendliche begann ich einer Schülerband zu spielen, allerdings spielte ich Schlagzeug. Während meines Studiums wurde dies zu meiner Einnahmequelle und wir spielten als Coverband vor allem in amerikanischen Militärclubs. Später dann spielten wir nur noch eigene Sachen mit englischen Texten, was aber dazu führte, dass nur noch wenige Auftritte mit diesem Programm möglich waren. Parallel zum Spielen in der Band habe ich aber begonnen Gitarre zu lernen. Zuerst spielte ich eine 12-saitige Gitarre, vor allem Akkord-Strumming. Angeregt von der dann aufkommenden Folkwelle, mit Leuten wie z.B. Werner Lämmerhirt, bin ich zum Fingerstyle-Spiel gekommen. Damals entschied ich mich aber für die klassische Gitarre, die wegen der Nylonsaiten für mich leichter zu spielen war. Das Spiel in der Band gab ich mit Ende meines Studiums auf, mit der Gitarre habe ich aber weitergemacht, nicht übermäßig engagiert, aber regelmäßig. Während meiner Arbeit als Ingenieur, ich hatte Nachrichtentechnik studiert, ging das so ca. 4 Jahre weiter. Dann hatte ich irgendwie das Gefühl, das nicht mehr viel passiert, wenn ich nicht was verändere. Ich kündigte, nahm mein Gespartes und fuhr mit einem Freund, der übrigens auch Gitarre spielte, im VW-Bus nach Griechenland. Der Freund fuhr nach einem halben Jahr wieder zurück, ich blieb ungefähr drei Jahre in Griechenland. In dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit dem Gitarrenspiel. Anfangs spielte ich die Klassiker, wie z.B. Angie, Classical Gas oder den Entertainer-Rag nach, aber schon bald begann ich eigene Stücke zu schreiben.

Rep.: Hast du Gitarren- oder Musikunterricht genommen um die Stücke aufzuschreiben?
KH: Nein, ich meinte mit Stücke schreiben nicht, dass ich sie wirklich aufgeschrieben habe, sondern nur, das ich sie selbst komponiert habe. Ich war immer Autodidakt, manchmal unter Zuhilfenahme von Büchern, Noten oder Tabs, wobei ich nie auch nur ansatzweise in der Lage war und auch immer noch nicht bin, vom Blatt zu spielen.

Rep.: Hast du in deiner Zeit in Griechenland mit anderen Musikern zusammengespielt?
KH: Ganz selten, ich war irgendwie ein Eigenbrödler und Sessions z.B. auf Basis von Blueskadenzen waren mir ein Graus.

Rep.: Wie ging es musikalisch nach deinem Griechenlandaufenthalt weiter?
KH: Noch über Verbindungen aus meiner Bandzeit erfuhr ich, das Bekannte in Wiesbaden ein Tonstudio eröffnet hatten und jemand suchten, der mitarbeitet. Da ich nicht zurück in meine Ingenieurstätigkeit wollte, nutzte ich die Gelegenheit und begann dort zu arbeiten. Es war ein kleines Studio und von klassischer Musik, Rock, Werbemusik bis hin zu Hörspielen und Kinderhörspielen wurde alles aufgenommen. In dieser Zeit gelang es mir auch meine ersten Titel zu veröffentlichen, vor allem als Titel- und Hintergrundmusik von Kinderhörspielen. Nach einigen Jahren im Studio entschied ich mich dann, das aufkommende Kleincomputerzeitalter nutzend, anzufangen Computerprogramme zu schreiben. Mittlerweile hatte ich einen Sohn, es kamen später noch zwei Töchter dazu. Ich zog aufs Land und verdiente mein Geld mit Programmierung. Ich spielte aber während der Zeit nebenbei immer noch regelmäßig Gitarre und schrieb eigene Stücke. Bei einem Besuch auf Gomera motivierte mich ein Freund doch Gitarrensolostücke aufzunehmen. Er verband mit meinen Gitarrenstücken Reisen und Landschaften. Ich nahm also einige Demos auf und schickte diese an eine Firma, die Musik zum Vertonen von Filmen und Videos vertrieb. Es gefiel Ihnen und Sie bezahlten mir die Produktion einer CD und nahmen die Titel in den Verlag.

Rep.: Ich weiß, dass du andere Musik, also keine Gitarrenmusik, komponiert und aufgenommen hast.
KH: Ja, ich hatte durch meine Beschäftigung mit dem Computer schon früh die Möglichkeiten von digitalen Aufnahmen, Samples und Bearbeitungsmöglichkeiten erkannt und dann einige Jahre Musik auf dem Computer produziert. Das war ganz unterschiedliche Musik, aber immer mit Drums, Bass, Bläsern, E-Gitarre usw. Viele dieser Titel konnte ich dann auch auf der Filmmusikschiene veröffentlichen.

Rep.: Hast du in dieser Zeit auch noch viel Gitarre gespielt?
KH: Eben nicht mehr und ich hatte das Gefühl mehr mit dem Computer und seinen Tücken, also neuer Hardware, Soundkarten, Treibern und Samples, beschäftigt zu sein, als richtig Musik zu machen. Mir fehlte auch das Spielen eines richtigen Instruments und eines Tages beschloss ich mit der Produktion von Musik auf dem Computer aufzuhören. Heute benutze ich den Computer nur noch zum Schneiden und zum Erstellen von CD’s . Selbst zum Aufnehmen meiner Gitarrenstücke benutze ich den Computer nicht mehr.

Rep.: Mit was nimmst du deine Stücke auf?
KH: Früher hatte ich einen DAT-Recorder, heute benutze ich einen Recorder mit CF-Karten und dazu Kondensator-Mikrophone, außerdem habe ich noch einen 16-Spur Harddisk-Recorder, wenn mal mehr als 2 Spuren notwendig sind.

Rep.: Du hast am Anfang davon gesprochen, dass du dich für die klassische Gitarre entschieden hast, eine deiner neueren CDs heißt aber „World of Steel String Guitar“.
KH: Ich fand vor ca. 8 Jahren heraus, dass die Stahlsaitengitarre besser zu den meisten meiner Stücke passt und im Moment spiele ich zu 90% die Stahlsaitengitarre.

Rep.: Welche Gitarren spielst du?
KH: Ich habe eine Vorliebe für japanische Gitarren aus den 60er und 70er Jahren. Seit 2012 spiele ich eine Hopf „Woodstock“ Gitarre, das ist eine Stahlsaitengitarre, die mir Hopf für einen Auftritt auf der Musikmesse (acoustic stage) zur Verfügung stellte und die ich im Moment fast ausschließlich spiele. Eine weitere Lieblingsgitarre ist eine Kasuga aus den 70ern, der Nachbau einer Martin-Gitarre. Ich hatte auch schon Gitarren von Lakewood und Maton, aber mit denen wurde ich nicht warm.

Rep.: Ich habe gesehen, dass du auf dem Schlagschutz deiner Gitarren noch ein Stück Schaumgummi aufgeklebt hast. Wofür ist das gut?
KH: Ich benutze beim Spielen vor allem den Daumen und zwei Finger, selten nur die beiden anderen und lege die nicht benutzen Finger zum Abstützen dort auf. Das fixiert die Finger und hat außerdem den Vorteil, dass meine Fingernägel nicht auf dem Schlagschutz klappern.

Rep.: Wir haben jetzt viel über Geschichte und Technik gesprochen, lass uns zum Wesentlichen kommen, deiner Musik. Wenn ich mal was über dich lese, ist immer die Rede von Reisen, Landschaften und Stimmungen. Was hat es damit auf sich?
KH: Fast alle meiner Gitarrenstücke sind für mich fest mit Orten, Ereignissen und Stimmungen verbunden und auf Konzerten erzähle ich auch immer etwas zu den Stücken. Da ich ja nicht singe, aber trotzdem erreichen will, dass die Zuhörer verstehen, was ich mit dem entsprechenden Stück beschreiben will, gehört Geschichte und Komposition zusammen.  Das führt dazu, dass bei den Zuhörern ein „Kopfkino“ abläuft. Bei Konzerten beschreibe ich bei manchen meiner Stücke sogar die musikalischen Themen, spiele sie an und erzähle für was diese in der Geschichte stehen. Die Ideen zu den meisten meiner Stücke entstehen auf Reisen, was dazu führt das in den Geschichten auch Orte vorkommen, deswegen vielleicht auch verbindet man meine Musik mit Reisen und Landschaften. Wenn ich an einem Stück arbeite, für das noch keine Geschichte oder ein zu beschreibendes Gefühl vorhanden ist, so werde ich, je weiter das Stück gedeiht, immer unruhiger. Ist es dann musikalisch fertig, so ist es aber nicht vortragbar, bis nicht ein Titel, und damit auch seine Geschichte fest steht. Es gab auch schon Stücke, die deswegen einfach wieder verschwunden sind, ohne dass sie jemand gehört hat – außer vielleicht meiner Familie, die einfach den Entstehungsprozess mitbekommen hat.

Rep.: Wie merkst du dir deine Stücke, du sagtest ja, du notierst deine Stücke nicht.
KH: Das war wirklich ein Problem. Ich nehme die Stücke zwar auf, wenn ich  sie aber lange Zeit nicht gespielt habe, hätte ich sie mir früher aus den Aufnahmen wieder heraushören müssen. Das tat ich aber nicht und somit sind sie für mich nicht mehr spielbar. Heute nehme ich die Stücke auf Video auf und damit gelingt es mir meistens die Stücke auch nach längerer Zeit wieder zu rekonstruieren. In letzter Zeit habe ich ein paar Stücke notiert, Tabs und Noten, aber das ist für mich sehr zeitaufwendig, weil ich eben wenig Erfahrung damit habe. Wenn ich dann die Noten jemand vorlege, der sich damit gut auskennt, kommen meist Kommentare wie „das würde man anders notieren“ oder „so ist das schlecht lesbar“, was natürlich nicht gerade sehr motivierend ist.

Rep.: Arbeitest du viel mit alternativen Stimmungen?
KH: Nein, die meisten meiner Stücke sind für eine normal gestimmte Gitarre geschrieben, ein paar aber auch für dropped-D Stimmung. Bei allen andern Stimmungen habe ich das Gefühl mich nicht mehr auf der Gitarre auszukennen, deswegen lasse ich es. Allerdings schreibe ich momentan an einigen Stücken bei denen ich verschiedene Partial-Kapodaster in verschiedenen Lagen verwende, also welche, die nicht alle Saiten verkürzen. Das hat zur Folge, dass die leeren Saiten einer alternativen Stimmung entsprechen, aber alle gegriffenen ihren Notenwert behalten und das ist für mich überschaubar und bietet trotzdem neue Möglichkeiten und Voicings.